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Spermidin-reiche Ernährung hält den Menschen länger jung
Forschung Magazin

Spermidin-reiche Ernährung hält den Menschen länger jung

Hintergrund

Alt werden, jung bleiben – wer wünscht sich das nicht? Hegten Menschen einst den Traum vom Quell der ewigen Jugend, forschen Wissenschaftler:innen heutzutage intensiv daran, das Altern mit all seinen Aspekten zu entschlüsseln. Aufmerksamkeit erregte nun die Untersuchung der Effekte von Spermidin auf den Alterungsprozess. Mit dem natürlichen Zellstoff ist man dem Ziel, den Menschen ein gesundes Leben und Älterwerden zu ermöglichen, ein großes Stück näher gerückt. Erstmals in den 1870er-Jahren nachgewiesen verdankt Spermidin den Namen seinem Fundort – der Samenflüssigkeit. Dennoch sollte man sich hiervon nicht in die Irre führen oder gar abschrecken lassen. Inzwischen weiß man nämlich, dass sich der wertvolle Vitalstoff nicht auf Männer beschränkt, sondern in allen Lebewesen und Körperzellen zu finden ist. Außerdem kommt Spermidin in pflanzlichen Lebensmitteln vor.

Zielsetzung 

Bei Spermidin ist Name also nicht Programm. Aber was dann? Das kleine Molekül spielt bei der Autophagie, dem natürlichen Prozess der Zellreinigung, eine wichtige Rolle. Dabei werden fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Zellbestandteile abgebaut und wiederverwertet. Mit dem Alter sinkt jedoch die Spermidin-Konzentration und damit auch die Fähigkeit unsere menschlichen Zellen aufzuräumen. Erinnern wir uns doch daran was damals passierte, wenn man seine Lego-Teilchen nach dem Spielen nicht zusammengeräumt hat? Die schmerzhaften Fußsohlen sind nach wie vor Zeugen des Chaos und der Unordnung. Anders als im Kinderzimmer kommt es in der Zelle nicht zum Herumliegen von Spielzeug, sondern zu pathologischen Ablagerungen von Zellteilen und Proteinen, die wiederum zu diversen Krankheiten führen können. Vice versa hat sich in mehreren Tiermodellen gezeigt, dass eine Spermidin Verabreichung mit einem erhöhten Überleben verbunden ist und sogar altersbedingte Mortalität reduziert.

In einer vielbeachteten Studie von Kiechl und Kolleg:innen hat man sich zum Ziel gesetzt, einen möglichen Zusammenhang zwischen der Spermidin-Aufnahme über die Nahrung und der Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung zu ergründen– mit spannenden Ergebnissen!

Methode

Ein internationales Team an Wissenschaftler:innen rund um die Medizinische Universität Innsbruck führte dabei eine prospektive Langzeitstudie in der Südtiroler Gemeinde Bruneck durch. Der Vorteil: Nur wenige Bewohner:innen ziehen aus der Stadt im Pustertal weg. Die Menschen sind in ihrer Südtiroler Heimatregion verwurzelt, die Mobilität ist äußerst gering. Man pflegt einen gesunden Lebensstil durch traditionelle Ernährung und viel Sport. Hier trifft man nicht selten topfitte 80-Jährige. Gleichzeitig sind andere Gesundheitsparameter durchaus mit anderen Populationen Europas vergleichbar. Faktoren wie diese machen das Städtchen zum idealen Ort, um altersbezogene Gesundheitsrisiken langfristig zu beobachten und ihre Vorhersagbarkeit zu erforschen. Gesagt, getan. 20 Jahre lang wurden im Rahmen dieser Studie 829 Menschen zwischen 45 und 84 Jahren systematisch auf altersbezogene Krankheiten untersucht. Alle fünf Jahre wurden die Proband:innen eingehend untersucht. Dabei wurde unter anderem ein spezifischer Diätfragebogen, zur Analyse der Nahrungsaufnahme von professionellen Ernährungsberatern, ausgefüllt. Dadurch war es möglich auf die natürlich konsumierte Spermidin-Menge rückzuschließen.

Nahrungsmittel und Darmflora als Quellen von Spermidin und seine mögliche lebensverlängernde Wirkung durch Autophagie beim Menschen

Welche Nahrungsmittel sind reich an Spermidin?

Dabei stellt sich die berechtigte Frage, in welchen Lebensmitteln nun besonders viel Spermidin vorkommt. Prinzipiell ist, wie bereits vorher schon verraten wurde, Spermidin in jeder Körperzelle enthalten. Der Naturstoff wird aber nicht nur von den Zellen selbst, sondern auch von bestimmten Bakterien in unserer Darmflora produziert. Rund ein Drittel des Spermidins stammt aus Eigenproduktion, während der Rest – immerhin der Hauptteil – über die Nahrung aufgenommen wird. Dort ist Spermidin in einer Vielzahl von Lebensmitteln enthalten. Als Beispiel seien Pilze, Blumenkohl, Brokkoli, Hülsenfrüchte, verschiedene Käsesorten, Vollkornprodukte und Weizenkeime genannt. Besonders reichlich kommt der wertvolle Stoff in Sojabohnenprodukten vor. Jedoch muss man beachten, dass die Menge von Spermidin bei natürlichen Quellen starken Schwankungen unterliegen kann.

Ergebnisse

Stürzen wir uns gleich mitten in die Resultate der Studie. Generell ließ sich schon einiges vorab über die Teilnehmenden berichten. Erstaunlicherweise war der Spermidingehalt der Nahrung bei Frauen höher als bei Männern und nahm zudem mit dem Alter stetig ab. Die heißen Favoriten unter den Hauptnahrungsquellen von Spermidin waren dabei Vollkornprodukte, Äpfel und Birnen, Salat, Gemüsesprossen und Kartoffeln. Um weitere Effekte von Spermidin zu erforschen, wurden die Teilnehmenden anhand ihrer täglichen Einnahmemenge in drei Gruppen unterteilt. Teilnehmer:innen mit geringer (unter 9 mg), mittlerer (9-11,6 mg) und hoher (über 11,6 mg) Spermidin-Einnahme.

Diese Gruppen wurden in Bezug auf Gesamtmortalität und Sterblichkeitsrisiko miteinander verglichen. Hier zeigte sich Bahnbrechendes. Man fand heraus, dass die Gruppe mit der spermidinreichsten Ernährung eine deutlich geringere Mortalität aufwies. Einfacher ausgedrückt: Je höher die tägliche Einnahme von Spermidin, desto niedriger war die Gesamtmortalität. Des Weiteren zeigte die Gruppe mit hoher Spermidin-Aufnahme im Vergleich zum unteren Drittel ein wesentlich verringertes Sterblichkeitsrisiko. Diese Verringerung entsprach konkret einer Altersreduktion von ganzen 5,7 Jahren. Fast zu gut, um wahr zu sein.

Spermidin hochdosiert aus Sojabohnenextrakt und Chlorella-Algenpulver.

Diskussion und Schlussfolgerung

Auf nach Bruneck! – würde manch übermotivierter Longevity-Fanat voreilig vorschlagen. Doch die revolutionären Resultate sind nicht ortsbezogen, sondern höchstwahrscheinlich auf jeden von uns übertragbar. Denn wer über die Nahrung viel Spermidin zu sich nimmt, verlängert damit möglicherweise seine gesunde Lebensspanne.

Zusammenfassend liefert diese Studie den ersten Beweis für einen Zusammenhang zwischen einer Spermidin-reichen Ernährung und einem erhöhten Überleben beim Menschen. Die aktuellen epidemiologischen Daten sind im Einklang mit experimentellen Voruntersuchungen, die auf langlebigkeits- und gesundheitsfördernde Wirkungen von Spermidin in Tiermodellen und menschlichen Zellen hindeuten. Als definitiver Beweis sind noch Interventionsstudien erforderlich, die zum Teil bereits angelaufenen sind. Wir freuen uns auf weitere interessante Neuigkeiten!

Die Studie erschien online im Juli 2018 im wissenschaftlichen Journal American Journal of Clinical Nutrition (AJCN).

Quellen

Kiechl, S., Pechlaner, R., Willeit, P., et al. (2018). Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study. The American journal of clinical nutrition, 108(2), 371–380.

https://doi.org/10.1093/ajcn/nqy102

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