Martin Berlet ist Geschäftsführer von epiAge Deutschland. Im folgenden Interview sprechen wir mit ihm über Gegenwart und Zukunft des epiAge epigenetischen Alterstests. Außerdem gibt er spannende Einblicke in die epigenetische Forschung.
MoleQlar: Was ist der wissenschaftliche Hintergrund des epiAge Tests?
Martin Berlet: Den ersten epigenetischen Alterstest hat der deutsch-amerikanische Bioinformatiker Steve Horvath 2013 entwickelt. Er basiert auf der Erkenntnis, dass sich mit zunehmendem Alter, kleine Moleküle an die Gene haften, sogenannte Methylierungen. Horvath hat 353 Stellen an Genen (sogenannte CpGs) identifiziert, deren Methylierung eine gute Korrelation mit dem chronologischen Alter ergeben haben.
Finden diese Methylierungen an sogenannten Promoterregionen eines Gens statt, kann das zum Beispiel dazu führen, dass dieses Gen stummgeschaltet wird.
Mittlerweile haben auch andere Forscher diesen Ansatz aufgegriffen und die „Horvath Clock“ weiterentwickelt. So auch Professor Moshe Szyf von der McGill Universität in Montreal, der den epiAge Test entwickelt hat.
MoleQlar: Der epiAge Test basiert auf der Auswertung von 13 DNA-Methylierungsstellen. Warum sind es genau diese 13 Stellen und nicht mehr oder weniger? Und wie berechnet man dann daraus das biologische Alter?
Martin Berlet: Prof. Szyf konnte zeigen, dass es ausreicht, nur diese 13 CpGs zu verwenden. Dieser Bereich im Genom, in dem sie liegen, korreliert am stärksten mit dem chronologischen Alter.
Diese Reduzierung der Variablen hat etliche Vorteile gegenüber der bisher angewandten Technologie. Der Test ist dadurch robuster.
Das ist für uns natürlich ein ungeheurer Vorteil, denn wir konnten schon bei eigenen Testreihen „sehen“ wie das epigenetische Alter reagiert. Dies ist generell ein ziemlich dynamischer Vorgang.
Der Körper ist eben kein mechanisches Gebilde, dessen Uhr im Sekunden-, oder Minutentakt runtertickt. Die Epigenetik wird von vielen Dingen beeinflusst. Im positiven Sinne, wie im negativen.
Dies umfasst nicht nur physiologische Faktoren, sondern auch psychologische, wie man in der Vergangenheit zeigen konnte. Vereinfacht gesagt, ist es genauso wichtig, auf eine gesunde Ernährung zu achten wie Stress zu vermeiden, der übrigens ein starker „Treiber“ der epigenetischen Uhr sein kann. Meditation kann also genauso „gesund“ sein wie die richtige Ernährung.
MoleQlar: Worauf kommt es an beim Durchführen des Tests, damit er auch tatsächlich funktioniert und das „korrekte“ biologische Alter ermittelt? Sprich: Welche Fehlerquellen gibt es bei der Durchführung? Worauf muss man im Vorhinein achten, wenn man den Test durchführt? (Sport, Alkohol, Rauchen, Nahrungsaufnahme, …)
Martin Berlet: Tatsächlich ein wichtiger Punkt. Wie erleben es leider immer wieder, dass nicht ausreichend Wert auf die korrekte Speichelabgabe gelegt wird, was sich in einem fehlgeschlagenen Test widerspiegeln kann. Bei der Speichelabgabe sollte man darauf achten, mindestens 30 Minuten vorher nicht zu essen, zu trinken, zu rauchen oder die Zähne zu putzen. Auch die Einnahme von kollagenhaltigen Substanzen oder Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken, kann den Test negativ beeinflussen.
MoleQlar: Schauen wir uns ein Beispiel an: Eine Frau mit einem chronologischem Alter von 50 Jahren macht den epiAge Test und erhält als Ergebnis den Wert 65 Jahre für ihr biologisches Alter. Sie versucht daraufhin gesünder zu leben. Wann macht es in ihrem Fall Sinn den Test zu wiederholen? Und gibt es Interventionen, die einen besonders großen Einfluss auf das Testergebnis haben? Wenn ja, welche Interventionen sind das?
Martin Berlet: Grundsätzlich können, und dürfen wir keine medizinischen Aussagen zu den einzelnen Testergebnissen machen.
Der Test gibt aber vielleicht den Anstoß mal wieder einen Arzt aufzusuchen, oder seinen eigenen Lebensstil zu hinterfragen und bestenfalls zu optimieren.
MoleQlar: Die Epigenetik ist bekanntlich ein stark umforschtes Thema. Ist geplant, den epiAge Test an neue Erkenntnisse anzupassen? Gibt es in (naher) Zukunft vielleicht eine Variante des epiAge Tests, die auf zukünftigen Forschungsergebnissen beruht?
Martin Berlet: In der Tat. Wir erproben gerade einen epiSmoke und einen skinAge Test. Der epiAge Test wird natürlich auch ständig „verbessert“ und das mathematische Modell mit zunehmender Datenmenge angepasst. Das ist aber ein ganz normaler Prozess.
MoleQlar: Der epiAge Test dauert durchschnittlich 6-8 Wochen. Was passiert in dieser Zeit? Warum ist die Wartezeit auf das Ergebnis „so lang“?
Martin Berlet: Wir konnten durch optimierte Prozesse die effektive „Wartezeit“ für den Kunden um 50 % reduzieren. Das heißt momentan liegen wir bei 3-4 Wochen. Für die Zukunft sehen wir aber noch weiteres Potential in diesem Bereich noch schneller zu werden. Unser Ziel dabei ist es auf einen Wert von ca. 12-14 Tagen zu kommen.
MoleQlar: Der epiAge Test ist ein einfacher Speicheltest. Wird der Speichel nicht „kaputt“ über den Auswertungszeitraum hinweg? Wen oder was schauen sich die Wissenschaftler:innen genau an im Speichel?
Martin Berlet: In den Teströhrchen für die Speichelprobe befindet sich eine sogenannte Pufferlösung. Wenn der Speichel sich damit vermischt, ist die Probe damit längerfristig haltbar gemacht. Aus dem Speichel wird dann die DNA die zur Analyse notwendig ist extrahiert und für die Sequenzierung aufbereitet.
MoleQlar: In einer rezenten Studie untersuchten Mongelli et al. das biologische Alter von 117 COVID-19 Überlebenden und verglichen es mit 144 nicht infizierten Freiwilligen. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Anstieg des biologischen Alters in der Gruppe nach überstandener SARS-CoV-2 Infektion im Vergleich zu den gesunden Studienteilnehmer:innen. Offensichtlich hat das SARS-CoV-2 Virus also einen Einfluss auf die Epigenetik. Kann man davon ausgehen, dass diese Veränderungen dauerhaft sind? Hat man ähnliche Veränderungen auch bei anderen Infektionen bakterieller oder viraler Natur beobachtet?
Martin Berlet: Methylierungen sind prinzipiell reversibel, das ist ja die gute Nachricht. Es stellt sich aber natürlich die Frage der Intervention.
Ich habe schon Studien gesehen, die sich bereits 2017 mit der Thematik befasst haben, Also lange bevor COVID 19 in der Welt aufgetaucht ist. Es gibt daher Hinweise, dass Coronaviren, und COVID 19 ist ja nur einer davon, die Methylierungsumgebung ihrer Wirtszellen umbauen.
Wie man langfristig Long Covid Symptome behandelt, ist sicher Gegenstand etlicher Forschungsgruppen weltweit.
MoleQlar: Und noch eine letzte Frage: Was macht den epiAge Test einzigartig? Was hebt ihn von Konkurrenzprodukten ab?
Martin Berlet: Der epiAge Test wird mit NGS (Next Generation Sequencing) durchgeführt und basiert nicht mehr auf den Chip Arrays die wesentlich größere Teile des Genoms untersuchen. Jede Probe wird beim epiAge Test dreimal sequenziert und es werden je nach Probenqualität etliche tausend Zellen analysiert, um einen möglichst genauen Einblick in das „epigenetische Geschehen“ zu bekommen. Der epiAge Test ist damit wesentlich robuster und weniger fehleranfällig wie die anderen auf dem Markt erhältlichen Tests, die weniger oft sequenzieren und teilweise deutlich weniger Zellen unter die Lupe nehmen.
Die Probleme der anderen Tests treten vor allem bei sogenannten follow-up Tests zutage, bei der man zum Beispiel eine Intervention mit Supplements und deren Auswirkungen auf das epigenetische Alter überwachen möchte.
Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!