In diesem Text rund um die deregulierte Nährstoffmessung als fünftes Kennzeichen des Alterns müssen wir ein bisschen tiefer in die Biochemie der Zelle eintauchen. Keine Sorge, es klingt schlimmer als gedacht, aber um die Hallmarks of Aging besser verstehen zu können, benötigen wir ein paar Fachbegriffe, wie mTOR, Sirtuine, IGF-1 oder AMPK. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel über die vier Langlebigkeitspfade.
Aber auch ohne diesen Artikel, wirst du am Ende dieses Artikels wissen, warum die Kalorienrestriktion bei so vielen Tieren zu einem längeren Leben geführt hat. Dass gewisse Formen des Fastens und der kalorischen Restriktion eine weitreichende Bedeutung für die Allgemeinheit haben, belegt der im Jahr 2016 verliehene Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Yoshinori Ohsumi, ein japanischer Zellbiologe, erhielt die prestigeträchtige Auszeichnung für seine Errungenschaften rund um das erweiterte Verständnis der Autophagie.
Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem beschädigte Zellbestandteile abgebaut werden, wenn Zellen eine gewisse Zeit lang „hungern“. Dadurch erlangen gealterte Zellen ihre Funktionsfähigkeit zurück – eine Art Recyclingprogramm also.
Fasten meint aber mehr als Autophagie. In der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Fasten und Langlebigkeit liegt eine Menge in den Untiefen der Molekularität verborgen. Wir gehen mit dir zusammen in die Tiefe und decken die molekularen Pfade hinter dem Fasten auf.
Fasten hemmt den IGF-1 Signalweg, und mTOR. Fasten induziert AMPK und Sirtuine und bekämpft dadurch Altern.
Hormone und ihre Achsen
Im Körper gibt es unzählige Hormone, die Prozesse wie Muskelwachstum, Menstruation oder Verdauung steuern. Meistens entfalten Hormone ihre Wirkung jedoch nicht direkt. Sie sind sehr häufig entlang von sogenannten Achsen bzw. Pfaden organisiert, was bedeutet, dass ein Hormon ein weiteres Hormon stimuliert und so weiter bis hin zum Endorgan, an dem ein Hormon dann seine Wirkung entfaltet.
Damit du keine ganze Vorlesung über das Thema studieren musst, konzentrieren wir uns auf eine Hormon-Achse, die mit der Langlebigkeitsforschung zu tun hat.
Wusstest Du? Produziert unser Körper zu viel des Wachstumshormons GH im Erwachsenenalter, dann kann es zum Krankheitsbild der Akromegalie kommen. Die Hände und das Gesicht sind meist zuerst betroffen und werden unnatürlich groß. Ursache ist meist eine autonome Überproduktion von GH in der Hirnanhangdrüse.
Die somatotrope Achse: GH und IGF-1
Die somatotrope Achse umfasst das Wachstumshormon (GH, von engl. growth hormone) welches von der Hirnanhangsdrüse produziert wird und den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor (IGF-1, von engl. insulin-like growth factor). Im Rahmen dieser Achse wird nun von der Hirnanhangsdrüse GH ausgeschüttet und dieses wiederum regt Zellen (vor allem Leberzellen) an, IGF-1 zu produzieren.
Die Signalweiterleitung innerhalb der Zelle von IGF-1 ist die gleiche wie die durch Insulin ausgelöste, welche die Zellen über das Vorhandensein von Glucose (Zucker) informiert – daher hat IGF-1 den charakteristischen Namen. Wenn wir also etwas essen, dann steigt zwangsläufig der Blutzucker und damit auch IGF-1 und Insulin.
Die zwei Hauptwirkungen von IGF-1, die für uns interessant sind, zeigt dir das Schaubild. Einerseits werden die Trankriptionsfaktoren der FOXO Familie gehemmt und andererseits wird mTOR aktviert.
Bevor wir dich mit weiteren komplizierten Namen verwirren, erst mal eine kurze Erklärung. FOXO steht für Forkhead box Class O und in der Form für eine Reihe von Trankriptionsfaktoren. Solche Moleküle können gewisse Stellen auf unserer DNA an- oder abschalten. Mehr darüber erfährst du im Artikel über epigenetische Veränderungen.
Der Name mTOR steht für mammalian Target of Rapamycin. Seinen Namen verdankt es der Entdeckung, dass das Medikament Rapamycin an diesen Rezeptor bindet. Mehr dazu später. Beide Signalwege sind am Altern beteiligt und wurden durch die Evolution konserviert, da sie einen Überlebensvorteil bedeutet haben.
Exkurs: Evolutionäre Konservierung
Die evolutionäre Konservierung hat nichts mit der Konservierung von Lebensmitteln zu tun, ähnelt in der Wortbedeutung aber dem uns bekannten Begriff. Genauer: In der Evolution herrscht ständig Selektionsdruck und nur die funktionalsten Organismen überleben.
Wenn gewisse genetische Sequenzen oder Signalwege über Jahrmillionen hinweg auftreten, dann bedeutet das, dass ein Organismus dadurch einen Selektionsvorteil erhält und die anderen aussterben. Heutzutage ist dieser Selektionsdruck durch die hoch entwickelten medizinischen Möglichkeiten etwas außer Kraft gesetzt. Wer in der Steinzeit einen Herzinfarkt hatte, starb mit ziemlicher Sicherheit – heute gibt es die Intensivmedizin und eine Reihe von Medikamenten, die das verhindern.
Studien haben nun in diesem Zusammenhang einige interessante Erkenntnisse gemacht. Kleine genetische Mutationen, die die Funktion von IGF-1 verringern, wurden mit der Langlebigkeit sowohl beim Menschen als auch bei Modellorganismen in Verbindung gebracht. Das ist bemerkenswert und zeigt auch die Bedeutung von solchen Pfaden für ein langes und gesundes Leben auf.
IGF-1 Signalweg
In zahlreichen Studien wurde immer wieder folgendes Ergebnis repliziert: Eine Abschwächung des IGF-1 Signalwegs verlängert konsistent die Lebensdauer von beispielsweise Fliegen, Würmern und auch Mäusen. Das hat unter anderem mit dem Transkriptionsfaktor FOXO zu tun, der auch breit untersucht wurde. Unter normalen Umständen hemmt IGF-1 die FOXO-Familie und die Transkriptionsfaktoren können deshalb ihre Wirkung nicht entfalten. Ist nun der IGF-1 Signalweg gehemmt, dann kann FOXO arbeiten und dafür sorgen, dass ausgehend von der DNA Proteine hergestellt werden, die dem Alterungsprozess entgegenwirken.
Das Paradoxon
Es wäre allerdings zu einfach, wenn das schon alles gewesen wäre. Wenn wir älter werden, dann würden wir auf Basis der obigen Erkenntnisse erwarten, dass wir einen hohen IGF-1 Spiegel finden, da dieser Signalweg unter anderem ursächlich für das Altern ist. Genau hier kommt die Krux.
Einige andere Studien beschrieben nämlich, dass während dem normalen Alterungsprozess GH und IGF-1 Spiegel sinken. Auch bei Mäusen mit beschleunigter Alterung nahm die Konzentration ab. Also müssen wir unsere Theorie über das Altern und höhere IGF-1 Spiegel wohl verwerfen?
Nicht wenn es nach Vertretern von folgender Theorie geht. Demnach können Organismen mit niedrigerer IGF-1 Funktionalität im Alter länger überleben, weil es dadurch zu einem langsameren Zellwachstum und einem gemächlicheren Stoffwechsel kommt. Das bedeutet schlussendlich weniger Zellschaden, was wiederum gut für uns ist.
Der Körper hilft sich also abermals selbst, indem er den Signalweg einfach mit dem Alter herunterregelt, um Schäden gering zu halten. Wie so oft sind auch die Balancefähigkeiten unseres Körpers gefragt, denn extrem niedrige IGF-1 Spiegel sind nicht mit dem Leben vereinbar. Das ist durchaus logisch, wenn man sich den Einfluss von IGF-1 auf Stoffwechsel und Zellwachstum in Erinnerung ruft. Die unterschiedlichen Studienergebnisse schließen sich also nicht mehr aus, sondern ergänzen einander.
Wusstest Du? Eine abwechslungsreiche und pflanzenreiche Ernährung trägt maßgeblich dazu bei, dass wir gesund Altern. Die Signalwege, die durch Lebensmittel aktiviert werden können, sind vielfältig. Einer davon ist der IGF-1 Weg. Das im Brokkoli enthaltene Sulforaphan konnte in einer Studie über die Induktion von niedrigeren IGF-1 Werten das Leben von C.elegans verlängern.
mTOR, AMPK, Sirtuine und Fasten
Neben dem IGF-1 Signalweg, der bekanntlich an der Glukosemessung beteiligt ist, stehen drei weitere verwandte und miteinander verbundene Nährstofferfassungssysteme im Mittelpunkt:
- mTOR dient der Erfassung von hohen Aminosäurekonzentrationen – steigt also nach einer proteinreichen Mahlzeit.
- AMPK erkennt niedrige Energiezustände durch hohe AMP-Werte. AMP entsteht beim Verbrauch vom wichtigsten körpereigenen Energieträger, dem ATP.
- Sirtuine, auch als Langlebigkeitsgene bezeichnet, erkennen niedrige Energiezustände durch das Wahrnehmen von hohen NAD-Spiegeln.
Wird mTOR herunterreguliert, dann ergibt sich bei Hefen, Würmern und Fliegen ein längeres Leben. Medikamentös kann man mTOR gezielt durch den Wirkstoff Rapamycin hemmen. Diesen Wirkmechanismus macht man sich in der Transplantatchirurgie zu Nutze. Nach Nierentransplantationen ist Rapamycin ein wichtiger Unterdrücker des Immunsystems, damit die fremde Niere nicht umgehend vom Körper abgestoßen wird.
So vielversprechend die Studien über mTOR-Hemmung und Lebensspanne sind, so besorgniserregend sind die Nebenwirkungen einer Rapamycin-Dauerbehandlung. Schlechtere Wundheilung, Insulinresistenz und Grauer Star lassen hier grüßen.
Trotzdem ist Rapamycin die robusteste jemals entdeckte chemische Intervention zur Verlängerung der Lebensdauer bei Säugetieren. Umso wichtiger ist es, die beteiligten Mechanismen zu verstehen, um zu bestimmen, inwieweit schädliche und vorteilhafte Wirkungen der mTOR-Hemmung voneinander getrennt werden können
Wusstest Du? Der amerikanische Arzt und Longevity Experte Peter Attia widmet in seinem erfolgreichem Buch „Outlive“ Rapamycin ein gesamtes Kapitel. Die ersten Studien dazu sind vielversprechend, aber da Rapamycin sehr starke Nebenwirkungen hat und verschreibungspflichtig ist, sollte man auf gar keinen Fall damit herum experimentieren.
Eine andere Methode die mTOR Spiegel niedrig zu halten ist z.B. das Fasten. Aber auch sogenannten Fasten-Mimetika (Moleküle, welche dem Körper vorspielen, er befände sich in einer Fasten-Situation) können den mTOR-Spiegel niedrig halten. Dazu zählt unter anderem das Berberin.
Von Nährstoffreichtum und Nährstoffknappheit
mTOR muss also ebenso wie IGF-1 herunterreguliert werden, um entsprechend positive Wirkungen auf das Altern hervorzurufen. Während IGF-1 (Vorhandensein von Glukose) und mTOR (Vorhandensein von Aminosäuren) Nährstoffreichtum signalisieren, melden AMPK und Sirtuine Nährstoffknappheit (Abwesenheit von Energie). Demzufolge begünstigt eine stärkere Wirkung von AMPK und Sirtuinen ein gesundes Altern.
Der AMPK-Spiegel wird beispielsweise durch Metformin gesteigert. Das Medikament ist eines der ältesten und am besten erforschtesten Diabetes-Medikamente. In Würmern und Mäusen ohne diabetische Vorerkrankung verlängerte die Verabreichung von Metformin die Lebensspanne.
Wusstest Du? Grüner Tee gilt schon seit Jahrhunderten als gesund und mittlerweile konnten die Wissenschaftler die Wirkstoffe dahinter identifizieren. So hat das im grünen Tee enthaltene Theanin einen beruhigenden Effekt und kann sich genauso wie EGCG positiv auf den Blutzuckerstoffwechsel auswirken.
Gandhi, Fasten und die Zukunft
Insgesamt stützen die aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Informationen die Idee, dass die Regulation der Nährstoffaufnahme, einen Beitrag zu einem längeren gesunden Leben leistet. Zudem sind die Forschungsergebnisse aufbauend auf die Wirkstoffe Rapamycin und Metformin ebenso beeindruckend wie vielversprechend.
Wenn auch noch einiges an detaillierter Forschung ausständig ist, lässt sich von der derzeitigen Perspektive aus sagen, dass unser fünftes Kennzeichen des Alterns auch ein aussichtsreicher Ausgangspunkt für die Beeinflussung des Alterns ist – und zwar schon jetzt. Schließlich sind die positiven Auswirkungen von Fasten bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt evident und nachvollziehbar.
Mahatma Gandhi hat einmal gesagt:
“Die Fastenzeiten sind Teil meines Wesens. Ich kann auf sie ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, das ist das Fasten für die innere.”
Was damals spirituell war, ist heute biochemische Realität… zumindest der zweite Teil.
Im nächsten Artikel dieser Reihe geht es um das sechste Kennzeichen des Alterns: Mitochondriale Dysfunktion.
MoleQlar ONE vereint 13 qualifizierte Longevity-Moleküle und einen harmonischen Geschmack nach Zitrone. Gemeinsam decken die Inhaltsstoffe alle molekularen Kennzeichen des Alterns gemeinsam ab.