Wer sich mit der eigenen Ausdauer beschäftigt, stößt auch irgendwann auf die VO₂max. Zunehmend hört man von dem Begriff aber auch im Zusammenhang mit Longevity. Vor allem Peter Attia war hier ein Vorreiter. Je höher, desto besser (bzw. älter wird man) - das ist den meisten schnell klar. Aber was steckt wirklich hinter dem Wert - und was kannst du tun, um ihn zu verbessern?
Was ist die VO2max?
Die VO₂max ist der wohl wichtigste Gradmesser für deine aerobe Leistungsfähigkeit. Sie beschreibt die maximale Sauerstoffmenge, die dein Körper während intensiver körperlicher Belastung aufnehmen, transportieren und verwerten kann. Genauer gesagt handelt es sich um den Spitzenwert des Sauerstoffverbrauchs pro Minute, meist bezogen auf dein Körpergewicht. Sie wird in Milliliter Sauerstoff pro Minute (ml O2/min) angegeben.
Warum ist Sauerstoff so wichtig?
Sauerstoff spielt eine entscheidende Rolle bei der Energiegewinnung. Bei körperlicher Aktivität wird die benötigte Energie für die Muskulatur durch die biologische Verbrennung von Sauerstoff bereitgestellt. Je mehr Sauerstoff dein Körper aufnehmen und verwerten kann, desto leistungsfähiger bist du.
Bedeutung der VO₂max
Eine hohe VO₂max gilt als Zeichen für eine gute Ausdauerleistungsfähigkeit. Sie spiegelt aber nur die obere Grenze der Ausdauerleistung wider - und wird daher oft auch als das Bruttokriterium der Ausdauerleistung bezeichnet.
Gleichzeitig heißt ein hoher VO₂max-Wert nicht zwingend, dass ein Athlet in einer Sportart besser ist. Vielmehr spielen auch andere Faktoren wie Technik oder das Mindset eine wichtige Rolle. Lass dich also nicht entmutigen, wenn dein Wert noch nicht im vermeintlich "guten" Bereich ist.
Beeinflusst wird die VO₂max nicht nur vom Training und deinem Lebensstil, sondern auch von deiner Genetik. Manch einer hat von Natur aus einen höheren Wert als andere - und damit womöglich auch einen sportlichen Vorteil. So haben Männer üblicherweise höhere Werte aus Frauen.
Wie wird die VO2 max berechnet?
Die VO₂max ist ein komplexer Wert, der durch eine Kombination aus direkter Messung und mathematischer Berechnung ermittelt wird.
1. Direkte Messung im Labor
Die präziseste Methode zur Bestimmung der VO₂max ist die Spiroergometrie, ein Test, der meist unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt wird. Dabei werden folgende Parameter erfasst:
- Sauerstoffaufnahme (VO₂): Die Menge an Sauerstoff, die dein Körper pro Minute aus der eingeatmeten Luft aufnimmt.
- Kohlendioxidabgabe (VCO₂): Die Menge an Kohlendioxid, die du pro Minute ausatmest.
- Atemvolumen und Atemfrequenz: Diese Werte helfen dabei, den Gasaustausch in den Lungen zu analysieren.
Während eines Belastungstests auf einem Laufband oder Ergometer steigert sich die Intensität kontinuierlich, bis du deine maximale Belastungsgrenze erreichst. Die VO₂max wird genau an dem Punkt gemessen, an dem die Sauerstoffaufnahme trotz steigender Belastung nicht weiter ansteigt.
2. Berechnung der VO₂max
Die VO₂max wird durch folgende Formel berechnet:
VO2max = HMV x AVO2D
Das Herz-Minuten-Volumen (HMV) gibt an, wie viel Blut pro Minute durch deinen Kreislauf gepumpt wird. Es wird anhand deiner Herzfrequenz pro Minute und dem Schlagvolumen berechnet - also der Menge an Blut, die pro Herzschlag befördert wird.
HMV = HF x SV
AVO2D steht für die arterio-venöse Sauerstoff-Differenz. Der Hintergrund: Sauerstoffreiches Blut wird durch die Arterien zur Arbeitsmuskulatur transportiert und dort in den Muskelzellen verstoffwechselt. Das anschließend sauerstoffarme Blut wird dann durch die Venen wieder zurück transportiert.
Die AVO2D zeigt also an, wie gut dein Körper in der Lage ist, Sauerstoff im Blut zu binden, zu transportieren und zu verwerten.
Das bedeutet also: Je höher deine Herzfrequenz, dein Schlagvolumen und deine arterio-venöse Sauerstoff-Differenz, desto höher ist auch deine VO2max. Diese Maximalwerte werden also unter Ausbelastung erreicht.
3. Alternative Methoden zur Schätzung der VO₂max
Für Personen, die keinen Zugang zu einem Labor haben, gibt es verschiedene Tests zur Schätzung der VO₂max:
- Cooper-Test (12-Minuten-Lauf): Die gelaufene Distanz wird in eine Formel eingesetzt, um die VO₂max zu schätzen.
- Astrand-Rhyming-Test: Hierbei wird die Herzfrequenz während eines submaximalen Belastungstests auf einem Ergometer gemessen.
Ganz neu ist die "seismographische" Messung der VO2max. Hierbei wird ein kleiner, modifizierter Erdbebensensor auf deine Brust geklebt und der Wert ganz ohne körperliche Belastung ermittelt. Die Messungen haben eine sehr sehr große Übereinstimmung mit den Werten, die unter Belastung ermittelt werden.
Absolute und relative VO2max
Die VO₂max kann auf zwei Arten angegeben werden: absolut und relativ. Weil schwerere Sportler oft höhere Werte als leichte Athleten haben, wird statt der absoluten in den meisten Fällen die relative VO₂max berechnet - hier wird nämlich das Gewicht in die Rechnung mit einbezogen. Sportler werden so innerhalb ihrer Disziplin besser vergleichbar.
Übrigens: Auch deine Smartwatch zeigt in der Regel die relative VO₂max an.
Absolute VO₂max
Die absolute VO₂max gibt die gesamte Menge an Sauerstoff an, die dein Körper während maximaler Belastung pro Minute aufnehmen kann. Sie wird in Litern pro Minute (L/min) angegeben.
Beispiel:
Eine Person mit einer absoluten VO₂max von 4,0 L/min kann pro Minute 4 Liter Sauerstoff aufnehmen und verwerten.
Relative VO₂max
Die relative VO₂max bezieht die Körpermasse in die Berechnung ein und wird in Millilitern Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute (ml/kg/min) angegeben. Sie zeigt, wie effizient dein Körper Sauerstoff in Relation zu deinem Gewicht nutzen kann.
Formel:
Relative VO₂max = Absolute VO₂max (in ml/min) : Körpergewicht (in kg)
Beispiel:
Eine Person mit einer absoluten VO₂max von 4.000 ml/min und einem Körpergewicht von 70 kg hätte eine relative VO₂max von 57.1 ml/kg/min.
Die VO2max messen: Wie zuverlässig sind Pulsuhren?
Die meisten modernen Pulsuhren und Fitness-Tracker bieten die Möglichkeit, die VO₂max zu schätzen. Dafür nutzen sie Algorithmen, die Daten wie Herzfrequenz, Bewegung und teilweise auch den Sauerstoffgehalt im Blut (über optische Sensoren) analysieren.
Wie schätzt die Pulsuhr deine VO2max?
Die Schätzung der VO₂max basiert auf mehreren Faktoren, darunter:
- Herzfrequenz: Während einer Trainingseinheit wird die Herzfrequenz in Relation zur Belastungsintensität gesetzt. Ein niedriger Puls bei hoher Belastung deutet auf eine hohe VO₂max hin.
- Ruhepuls: Ein niedriger Ruhepuls ist oft ein Indikator für eine gute Herz-Kreislauf-Gesundheit und wird in die Berechnung einbezogen.
- Bewegungsdaten: Geschwindigkeit und zurückgelegte Distanz, z. B. bei einem Lauf, werden zur Einschätzung der Fitness herangezogen.
Einige Geräte berücksichtigen auch persönliche Daten wie Alter, Geschlecht und Gewicht, um die VO₂max genauer zu schätzen.
Wie genau ist das?
Die Genauigkeit der VO₂max-Werte von Pulsuhren kann stark variieren und ist oft von folgenden Faktoren abhängig:
- Qualität des Sensors: Hochwertige Geräte von bekannten Herstellern liefern in der Regel präzisere Werte.
- Individuelles Fitnesslevel: Bei gut trainierten Personen weichen die Werte häufig weniger stark ab als bei Anfängern.
- Messbedingungen: Optimale Bedingungen, wie gleichmäßiges Tempo und stabile Herzfrequenz, verbessern die Genauigkeit.
Einschränkungen:
- Schätzungen sind nicht individuell validiert: Algorithmen basieren auf Durchschnittswerten und berücksichtigen keine physiologischen Besonderheiten.
- Ungenauigkeiten bei submaximaler Belastung: Die Geräte haben nicht selten Schwierigkeiten, präzise Werte zu liefern, wenn du während des Trainings nicht an deine Belastungsgrenze gehst.
Für einen genauen Wert solltest du also im Zweifelsfall immer auf die Spiroergometrie oder neuerdings auf den Seismograph für die Brust zurückgreifen.
Fitness: Was ist ein guter VO2max Wert?
Die VO₂max ist ein wichtiger Indikator für deine Ausdauerfähigkeit. Doch was ist überhaupt ein guter Wert? Die Antwort hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie deinem Alter, Geschlecht und Trainingsniveau. Allgemein gilt: Je höher die VO₂max, desto besser ist dein Körper in der Lage, Sauerstoff während körperlicher Belastung zu nutzen.
VO₂max-Durchschnittswerte nach Fitnesslevel
Normwerte / Freizeitsportler:
Freizeitsportler trainieren regelmäßig, aber mit moderater Intensität. Ihre VO₂max liegt in der Regel bei:
- Männer: 35–45 ml/kg/min
- Frauen: 30–40 ml/kg/min
Ambitionierte Sportler:
Ambitionierte Sportler betreiben strukturiertes Training, oft mehrmals pro Woche, und nehmen ab und an auch an Wettkämpfen teil. Ihre Werte liegen meistens bei:
- Männer: 50–60 ml/kg/min
- Frauen: 45–55 ml/kg/min
Profisportler:
Profisportler erreichen durch intensives und kontinuierliches Training die höchsten VO₂max-Werte. Je nach Sportart können die Werte stark variieren, vor allem in Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Skilanglauf:
- Männer: 65–85 ml/kg/min
- Frauen: 55–70 ml/kg/min
- Weltspitze: bis zu 80 ml/kg/min
Welche VO₂max gilt als „gut“?
Ein VO₂max-Wert gilt als „gut“, wenn er über dem Durchschnitt der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppe liegt. Hier einige Richtwerte:
- Männer (20–40 Jahre): Ab 45 ml/kg/min aufwärts ist die VO₂max überdurchschnittlich.
- Frauen (20–40 Jahre): Ab 40 ml/kg/min aufwärts gilt die VO₂max als gut.
Deine VO₂max ist ein wertvoller Indikator für deine Fitness, aber sie sollte immer im Kontext betrachtet werden. Egal, ob du Freizeitsportler oder Profi bist: Die Verbesserung deiner VO₂max erfordert gezieltes Training.
Faktoren einer hohen VO2max
Die VO₂max hängt von verschiedenen physiologischen Faktoren ab. Jeder dieser Faktoren spielt eine entscheidende Rolle, um den Sauerstoff effizient von der Außenwelt zu den arbeitenden Muskeln zu transportieren und dort in Energie umzuwandeln.
Hohe Kapillarisierung
Kapillaren sind die kleinsten Blutgefäße im Körper, die Sauerstoff und Nährstoffe direkt an die Muskelzellen abgeben.
Eine hohe Kapillarisierung bedeutet, dass die Muskeln besonders gut durchblutet werden. Je mehr Kapillaren vorhanden sind, desto effizienter kann Sauerstoff aus dem Blut in die Muskeln übergehen. Das verbessert die Sauerstoffversorgung während der Belastung und erhöht die Ausdauerleistung.
Anzahl der Mitochondrien
Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ der Zellen. Hier wird Sauerstoff genutzt, um Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) zu produzieren. Je mehr Mitochondrien eine Muskelzelle hat, desto effizienter kann sie Sauerstoff in Energie umwandeln. Das bedeutet, dass deine Muskeln länger arbeiten können, ohne zu ermüden.
Unser Tipp: So kannst du deine Mitochondrien stärken.
Herzminutenvolumen
Das Herzminutenvolumen gibt an, wie viel Blut das Herz pro Minute durch den Körper pumpt. Es ist das Produkt aus der Herzfrequenz (Schläge pro Minute) und dem Schlagvolumen (Blutmenge pro Schlag).
Ein hohes Herzminutenvolumen bedeutet, dass mehr Sauerstoff pro Minute zu den Muskeln transportiert wird. Dadurch können die Muskeln auch bei hoher Belastung ausreichend versorgt werden.
Hämoglobingehalt
Hämoglobin ist ein Protein in den roten Blutkörperchen, das Sauerstoff von der Lunge zu den Muskeln transportiert. Ein hoher Hämoglobingehalt verbessert die Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Mehr Sauerstoff im Blut sorgt dafür, dass die Muskeln besser versorgt werden und die VO₂max steigt.
Lungenfunktion
Die Lunge ist für die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid verantwortlich. Die maximale Sauerstoffaufnahme beginnt mit der Lungenfunktion.
Sie stellt sicher, dass ausreichend Sauerstoff ins Blut gelangt. Faktoren wie die Vitalkapazität (maximales Luftvolumen, das die Lunge aufnehmen kann) und die Diffusionskapazität (Effizienz des Gasaustauschs in den Lungenbläschen) beeinflussen die Sauerstoffaufnahme.
VO2max und Longevity
Die VO2max spielt nicht nur bei deiner sportlichen Leistung eine große Rolle - auch deine Longevity ist eng mit dem Wert verbunden. Denn schon geringe Verbesserungen der VO2max wirken sich positiv auf dein Risiko der Gesamtmortalität aus, wie eine Studie zeigte.
Genauer ist die kardiorespiratorische Fitness umgekehrt proportional zur Langzeitmortalität, ohne dass eine Obergrenze beobachtet werden konnte. Heißt so viel wie: Eine extrem hohe aerobe Fitness war auch mit der höchsten Überlebensrate verbunden.
Dieser Effekt ist dabei unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft. Gleichzeitig ist eine erhöhte kardiorespiratorische Fitness auch mit zahlreichen weiteren gesundheitlichen Vorteilen verbunden, beispielsweise einer Verringerung koronarer Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfall und Krebs.
Wie kannst du deine VO2max verbessern?
Die Verbesserung deiner aeroben Leistungsfähigkeit ist sehr individuell. Deshalb gibt es auch nicht "den einen" Weg zu einer höheren VO₂max.
Kurze Intervalle
Was ist das?
Kurze Intervalle bestehen aus hochintensiven Belastungsphasen von 15–60 Sekunden, gefolgt von aktiven Erholungsphasen.
Beispiel:
- 8 x 30 Sekunden Sprint (nahe maximale Intensität)
- 90 Sekunden lockeres Joggen oder Gehen
Warum ist das effektiv?
Kurze Intervalle trainieren dein Herz, Sauerstoff schnell und effizient zu den Muskeln zu transportieren. Sie fordern dein Herz-Kreislauf-System maximal heraus und verbessern die Sauerstofftransportkapazität (Herzminutenvolumen) sowie die Sauerstoffaufnahme in den Muskeln (Kapillarisierung).
Lange Intervalle
Was ist das?
Lange Intervalle dauern 3–8 Minuten bei 80–90 % der maximalen Herzfrequenz, gefolgt von längeren Erholungsphasen.
Beispiel:
- 4 x 5 Minuten bei hoher Intensität
- 3 Minuten lockeres Joggen oder Gehen dazwischen
Warum ist das effektiv?
Lange Intervalle verbessern sowohl deine aerobe als auch deine anaerobe Kapazität. Dein Körper lernt, Sauerstoff effizienter zu nutzen, während gleichzeitig die Fähigkeit zur Laktatverwertung (Milchsäureabbau) gesteigert wird.
Bergsprints
Was ist das?
Bergsprints sind kurze, hochintensive Sprints (20–40 Sekunden) bergauf, gefolgt von lockeren Bergabjoggen oder Gehen als Erholung.
Beispiel:
- 6 x 30 Sekunden Sprint bergauf
- 2–3 Minuten lockeres Gehen bergab
Warum ist das effektiv?
Die zusätzliche Schwerkraft beim Bergsprint fordert die Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System extrem. Der Widerstand trainiert deine laufspezifische Muskulatur und verbessert gleichzeitig das Herzminutenvolumen.
HIT Training
Was ist das?
HIT kombiniert kurze, sehr intensive Belastungsphasen (85–100 % der maximalen Herzfrequenz) mit kurzen Erholungsphasen. Diese Einheiten sind ähnlich wie Intervalltrainings, jedoch meist kürzer und intensiver.
Beispiel:
- 10 x 1 Minute bei maximaler Intensität
- 1 Minute aktive Erholung dazwischen
Warum ist das effektiv?
HIT erhöht sowohl die maximale Sauerstoffaufnahme als auch die Fähigkeit deines Körpers, Sauerstoff schnell zu verarbeiten. Gleichzeitig wird die Laktattoleranz verbessert.
Langsame, lange Einheiten (Zone 1 & 2)
Was ist das?
Langsame, lange Einheiten bestehen aus Trainingseinheiten mit moderater Intensität über einen längeren Zeitraum (60–120 Minuten bei 60–70 % der maximalen Herzfrequenz).
Beispiel:
- 90 Minuten Joggen oder Radfahren im lockeren Tempo
Warum ist das effektiv?
Diese Einheiten verbessern die Grundlagenausdauer und trainieren den Fettstoffwechsel. Zudem wird die Kapillarisierung der Muskeln gefördert und die Mitochondrienanzahl erhöht.