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Exosomen entschlüsselt: Die kleinen Vesikel mit großem Longevity-Potential

Exosomen entschlüsselt: Die kleinen Vesikel mit großem Longevity-Potential

Exosomen sind membranöse extrazelluläre Vesikel mit einer Größe von 30–150 nm, die von nahezu allen Zelltypen sezerniert werden. Sie wurden ursprünglich als zelluläre Abfallprodukte angesehen, doch mittlerweile ist belegt, dass sie eine essenzielle Rolle in der interzellulären Kommunikation spielen. Sie transportieren Proteine, Lipide und RNA und regulieren zahlreiche physiologische Prozesse, darunter Immunantworten, Geweberegeneration und Stoffwechselregulation.

Durch ihre vielseitigen Funktionen rücken Exosomen zunehmend in den Fokus der biomedizinischen Forschung, insbesondere hinsichtlich ihrer potenziellen Anwendung in der regenerativen Medizin, Diagnostik und zielgerichteten Wirkstoffabgabe auch bei Nahrungsergänzungsmitteln. In diesem Artikel gehen wir auf die Funktionsweise der Exosomen ein und werfen einen genaueren Blick auf deren Chancen und Möglichkeiten. 

Biogenese und Funktion von Exosomen

Exosomen entstehen innerhalb der Zelle über eine spezifische Abfolge intrazellulärer Prozesse:

Bildung multivesikulärer Endosomen (MVEs)

In unseren Zellen gibt es kleine "Fabriken" namens Endosomen. In diesen Endosomen entstehen noch kleinere "Päckchen" genannt Exosomen. Man kann sich das vorstellen, wie wenn man eine Luftblase eindrückt und so eine neue, kleine Blase im Inneren entsteht.

Es gibt zwei Arten, wie diese Exosomen gebildet werden:

  • Mit Hilfe eines "Sortier-Teams": Ein komplexes System von Proteinen, das ESCRT genannt wird, hilft dabei, die Exosomen ordentlich zu formen.
  • Auf andere, noch unbekannte Weise: Es gibt auch Mechanismen, die unabhängig von ESCRT funktionieren - diese sind aber noch nicht vollends verstanden.

Wenn das Endosom voll mit diesen kleinen Exosomen-Päckchen ist, nennen wir es multivesikuläres Endosom (MVE). Stell dir vor, das MVE ist wie ein Sack voller kleiner Botschaften. Dieser Sack verschmilzt dann mit der Zellwand und öffnet sich nach außen, wodurch die Exosomen freigesetzt werden. Diese Exosomen schwimmen dann im Körper herum und überbringen als Botenstoffe Nachrichten an andere Zellen.

Exozytose der Exosomen

Die MVEs (die "Säcke" voller Exosomen) verschmelzen mit der Zellwand und geben die Exosomen dadurch nach außen in den Raum außerhalb der Zelle frei.

Interaktion mit Zielzellen

Exosomen sind kleine Pakete mit wichtigen Informationen. Wenn sie an andere Zellen andocken oder von ihnen aufgenommen werden, geben sie ihren molekularen Inhalt frei. Dieser Inhalt kann die Funktion der Zelle verändern, indem er bestimmte Signalwege in Gang setzt oder zu Veränderungen im Gewebe führt. Die Exosomen wirken also wie kleine Regulatoren der Zellaktivität.

Regulation durch microRNAs (miRNAs)

Exosomen transportieren eine Vielzahl von microRNAs, die gezielt in Zielzellen eindringen und dort die Genexpression regulieren können. Diese miRNAs können entweder die Produktion bestimmter Proteine hemmen oder stimulieren. (Erfahre mehr darüber im Artikel zum Thema Proteomik) Dies hat bedeutende Auswirkungen auf zelluläre Prozesse wie Entzündungen, Geweberegeneration und Zellschutz.

Beispielsweise sind bestimmte miRNAs in Exosomen nachweislich in der Lage, entzündliche Signalwege zu unterdrücken und Reparaturmechanismen in geschädigten Geweben zu aktivieren. In der Krebsforschung wird untersucht, wie exosomale miRNAs die Tumorprogression beeinflussen und ob sie als gezielte Therapieoption genutzt werden können.

Vergleich pflanzlicher und humaner Exosomen

Sowohl tierische als auch pflanzliche Zellen produzieren Exosomen, allerdings unterscheiden sie sich in ihrer molekularen Zusammensetzung und potenziellen Anwendungen:

Eigenschaft

Menschliche Exosomen

Pflanzliche Exosomen

Ursprung

Stammzellen, Immunzellen, Epithelzellen

Pflanzenzellen (Obst, Gemüse, Kräuter)

Funktion

Immunmodulation, Geweberegeneration, Signaltransduktion

Antioxidative, entzündungshemmende Eigenschaften

Zusammensetzung

Proteine, microRNAs, Lipide

Polyphenole, pflanzliche RNA

Stabilität

Relativ instabil im Verdauungstrakt

Hohe Stabilität und Bioverfügbarkeit

Während humane Exosomen für personalisierte Therapien erforscht werden, besitzen pflanzliche Exosomen großes Potenzial als natürliche Nahrungsergänzungsmittel. Studien zeigen, dass sie entzündungshemmende Effekte haben können und möglicherweise das intestinale Mikrobiom beeinflussen. Pflanzliche Exosomen aus Trauben oder Brokkoli enthalten bioaktive Moleküle, die als präbiotische Substanzen wirken könnten.

Potenzial von Exosomen für Longevity und Hindernisse bei der Implementierung

Exosomen könnten aufgrund der oben beschriebenen Eigenschaften auch eine sehr wichtige Rolle in der Longevity-Forschung spielen, insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Zelluläre Seneszenz: Zelluläre Seneszenz bezeichnet einen Zustand, in dem sich Zellen irreversibel aus dem Zellzyklus zurückziehen. Exosomen könnten zur Eliminierung oder Reaktivierung seneszenter Zellen beitragen und so den Alterungsprozess verlangsamen.
  • Mitochondriale Funktion: Exosomen könnten gezielt mitochondriale Dysfunktionen korrigieren, die eine Schlüsselrolle bei altersbedingten Erkrankungen spielen.
  • Immunregulation: Durch die Modulation des Immunsystems könnten Exosomen chronisch-entzündliche Prozesse hemmen, die zu altersbedingten Erkrankungen beitragen.
  • Neurodegenerative Erkrankungen: Exosomen zeigen vielversprechende Ansätze in der Behandlung von Alzheimer und Parkinson, da sie neuronale Regeneration fördern könnten.

Mehr zu den molekularen Grundlagen des Alterungsprozesses erfährst du bei den Hallmarks of Aging.

Warum werden Exosomen noch nicht breiter eingesetzt?

Trotz ihres enormen Potenzials gibt es mehrere Herausforderungen, die eine breite Anwendung von Exosomen in der Longevity-Medizin derzeit noch einschränken:

  • Mangelnde Standardisierung: Die Herstellung und Charakterisierung von Exosomen ist komplex und erfordert standardisierte Protokolle, die bisher nicht vollständig etabliert sind.
  • Regulatorische Hürden: Die rechtliche Einstufung von Exosomen als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel ist unklar, was den Markteintritt erschwert. Zudem sind nicht-pflanzliche Exosomen-Therapien derzeit noch nicht zugelassen innerhalb der EU.
  • Unzureichende klinische Studien: Viele Studien befinden sich noch im präklinischen Stadium, und Langzeitdaten zur Sicherheit und Wirksamkeit fehlen.
  • Ethische Fragen: Besonders bei Exosomen aus humanen Stammzellen gibt es ethische Bedenken hinsichtlich ihrer Gewinnung und Anwendung.

Trotz dieser Herausforderungen wird die kontinuierliche Forschung an Exosomen dazu führen, dass sie in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle in der Longevity-Forschung und personalisierten Medizin spielen werden. Fortschritte in der Biotechnologie, optimierte Herstellungsprozesse und regulatorische Klarheit ebnen aller Voraussicht nach den Weg dorthin.

Regulatorische Rahmenbedingungen für Exosomen in der EU

Die rechtliche Einordnung von Exosomen variiert je nach Anwendungsbereich:

  • Arzneimittel: Humane Exosomen unterliegen der Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs)-Verordnung der EMA und erfordern eine umfassende klinische Prüfung.
  • Nahrungsergänzungsmittel: Pflanzliche Exosomen könnten unter die Novel-Food-Verordnung (EU-Verordnung 2015/2283) fallen, sofern sie eine neuartige Zutat darstellen.
  • Kosmetikprodukte: Exosomenbasierte Hautpflege muss die EU-Kosmetikverordnung (EG) 1223/2009) erfüllen, mit entsprechenden Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit.

Exosomen in bereits existierenden Produkten und Märkten

Exosomen sind bereits in verschiedenen Branchen kommerziell verfügbar und haben sich in bestimmten Bereichen etabliert:

Kosmetische Anwendungen

Exosomenhaltige Hautpflegeprodukte werden von verschiedenen Marken als Anti-Aging-Lösung vermarktet. Diese Produkte enthalten Exosomen, die die Kollagenproduktion anregen und Hautregeneration unterstützen sollen. Einige dermatologische Behandlungen nutzen Exosomen zudem, um Hautverjüngung und Wundheilung zu beschleunigen.

Regenerative Medizin

In klinischen Studien werden Exosomen zur Förderung der Geweberegeneration untersucht. Erste Anwendungen zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Knorpeldefekten und Muskelverletzungen. Bestimmte Unternehmen bieten exosomenbasierte Injektionen für die regenerative Orthopädie und Ästhetik an.

Haarwachstumstherapien

Exosomen werden zunehmend in Haarpflegeprodukten und Kopfhautbehandlungen verwendet, mit der Absicht das Haarwachstum zu fördern und Haarausfall zu reduzieren. Klinische Anwendungen kombinieren Exosomen mit PRP (Platelet-Rich Plasma), um die Regeneration der Haarfollikel zu stimulieren.

Funktionelle Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel

Pflanzliche Exosomen aus Nahrungsmitteln wie Trauben und Ingwer werden in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt, um antioxidative und entzündungshemmende Vorteile zu bieten. Einige Unternehmen entwickeln exosomenreiche Lebensmittel, um das Mikrobiom zu unterstützen und die Darmgesundheit zu verbessern.

Zum Beispiel werden Exosomen aus Ingwer in funktionellen Getränken und Nahrungsergänzungsmitteln genutzt, da sie entzündungshemmende Wirkstoffe transportieren können, die insbesondere für Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden von Vorteil sind.

Arzneimittelentwicklung und Wirkstofftransport:

Pharmaunternehmen erforschen Exosomen als Träger für gezielte Medikamentenabgabe. Erste Versuche zeigen, dass Exosomen Wirkstoffe präzise zu erkrankten Geweben transportieren können. Besonders in der Onkologie werden Exosomen als Vehikel für zielgerichtete Wirkstoffabgabe untersucht.

Vorteile exosomaler Anwendungen

  • Hocheffiziente Zellkommunikation: Exosomen übertragen biologische Signale gezielt an Zielzellen.
  • Hohe Bioverfügbarkeit: Pflanzliche Exosomen sind stabil gegenüber Verdauungsenzymen und gelangen intakt in den Organismus.
  • Regenerative Potenziale: Eine beschleunigte Wundheilung und Gewebereparatur wird Exosomen nachgesagt.
  • Breite Anwendungsmöglichkeiten: Medizin, Kosmetik und funktionelle Ernährung könnten erheblich von Exosomen profitieren.
  • Zielgerichtete Wirkstoffabgabe: Exosomen bieten eine Möglichkeit für gezielte Therapien durch den Transport von bioaktiven Molekülen.

Herausforderungen und offene Fragen

Trotz des vielversprechenden Potenzials von Exosomen gibt es noch einige Hürden, die eine breite Anwendung erschweren. Es fehlen Langzeitstudien zur Sicherheit und Wirksamkeit, was eine klinische Zulassung erschwert. Zudem sind die regulatorischen Vorgaben uneinheitlich, da Exosomen je nach Anwendungsbereich als Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel oder kosmetischer Wirkstoff eingestuft werden könnten. Je nachdem ob eine Patentierung möglich ist, gibt es von privater Seite mehr oder weniger Anreize hier ordentlich Geld in die Forschung zu investieren.

Die Produktion ist ebenfalls anspruchsvoll: Die Isolation, Reinigung und Skalierung erfordert komplexe biotechnologische Verfahren, die derzeit hohe Kosten verursachen. Darüber hinaus bestehen immunologische Risiken, da Exosomen potenziell unerwartete Reaktionen im Immunsystem hervorrufen können.

Bei der Verwendung humaner Exosomen gibt es zusätzlich ethische Bedenken, insbesondere wenn sie aus Stammzellen gewonnen werden. Eine Standardisierung der Herstellungsprozesse und weitere Forschung sind notwendig, um Exosomen als sicheres und effektives Therapiewerkzeug zu etablieren.

Zukunftsperspektiven der Exosomen-Forschung

Exosomen sind mehr als nur Zellfragmente – sie stellen eine hochentwickelte Plattform für zelluläre Signaltransduktion und interzellulären Stofftransport dar. Während pflanzliche Exosomen bereits in der funktionellen Ernährung erforscht werden, stehen human-exosomale Anwendungen vor regulatorischen und technologischen Herausforderungen. Die kontinuierliche Forschung wird dazu beitragen, Exosomen als innovative Therapieoption für regenerative Medizin, zielgerichtete Wirkstoffabgabe und personalisierte Medizin weiterzuentwickeln.

Quellen

Literatur:
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  • Kinser, H. E., & Pincus, Z. (2020). MicroRNAs as modulators of longevity and the aging process. Human genetics, 139(3), 291-308.
  • Munir, J., Lee, M., & Ryu, S. (2020). Exosomes in food: health benefits and clinical relevance in diseases. Advances in Nutrition, 11(3), 687-696.
  • Omrani M, Beyrampour-Basmenj H, Jahanban-Esfahlan R, Talebi M, Raeisi M, Serej ZA, Akbar-Gharalari N, Khodakarimi S, Wu J, Ebrahimi-Kalan A. (2024) Global trend in exosome isolation and application: an update concept in management of diseases. Mol Cell Biochem. Mar;479(3)
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