Die mitochondriale Dysfunktion ist ein zentraler Punkt in der Altersforschung. Gerne als „Kraftwerke der Zellen“ betitelt, schwindet die Kraft und Effizienz unserer Mitochondrien im Alter. Zu allem Überfluss können alte Mitochondrien nicht mehr richtig abgebaut werden und verstopfen die Zellen, bis diese ihre Funktion verlieren. Viele der Stoffwechselwege, die mit dem Alter verbunden sind, spielen sich in den Mitochondrien ab oder diese sind daran beteiligt. Ein Beispiel wäre das NAD.
Wir zeigen dir hier was in unseren Mitochondrien passiert, wie sich das Alter auf unsere Zellorganellen auswirkt und was wir tun können, um dieses Hallmark of Aging möglicherweise umzukehren.
Die Mitochondrien – ein kleines Wunderwerk der Natur
Die Mitochondrien befinden sich in unterschiedlicher Anzahl in den Körperzellen und bilden dabei eine von vielen Einrichtungen, die ihren Beitrag zu einer funktionierenden Zellfunktion leisten. Bei Muskelzellen, Sinneszellen oder Eizellen handelt es sich um Zellen mit einem großen Energiebedarf. Dementsprechend befinden sich auch überdurchschnittlich viele Mitochondrien in diesen Zellen. In einer Herzmuskelzelle erreicht der Volumenanteil sogar außergewöhnliche 36%. Das ist bereits ein Fingerzeig in Richtung der großen Bedeutung dieser Zellorganellen.
Die körpereigenen Kraftwerke haben eine spezielle Besonderheit: sie besitzen eine eigene DNA, die sogenannte mtDNA (von engl. mitochondrial DNA), welche ringförmig im Inneren des Mitochondriums herumschwimmt. Eine eigenständige Vermehrung ist dadurch aber nicht möglich. Lediglich 37 Gene umfasst das mitochondriale Genom bei uns Menschen. Zum Vergleich: die DNA im Zellkern beinhaltet die Information für 20000-25000 Gene.
Wusstest Du? Im Gegensatz zu unserer DNA in den Zellkernen, liegt die mtDNA ungeschützt im Zytoplasma der Mitochondrien. Das macht sie besonders anfällig für oxidativen Stress. Schützend wirkt unser körpereigenes Glutathion und Antioxidanzien, die wir vor allem in sekundären Pflanzenstoffen finden.
Atmungskette, Energiebereitstellung und NAD+
Bekanntlich wird im Mitochondrium Energie produziert und bereitgestellt. Dieser Vorgang heißt Zellatmung und läuft über die Atmungskette – einem Zusammenspiel von 5 Proteinkomplexen, die eine Elektronentransportkette bilden. Elektronen (negativ geladene Teilchen) spielen also eine wichtige Rolle im Energiegewinnungsprozess. Am Anfang der Atmungskette steht das Molekül NADH, welches im Rahmen der Energiegewinnung zwei Elektronen abgeben kann. Dadurch entsteht letzten Endes ATP und das „Abfallprodukt“ NAD+. NAD+ ist nichts anderes als das Molekül NADH, nur um ein Proton (positiv geladenes Teilchen) und zwei Elektronen ärmer.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Energiegewinnung in unseren Zellen besteht daraus, die in der Nahrung enthaltenen Elektronen abzuspalten. Bei diesem Vorgang wird dann Energie freigesetzt. Hohe NAD+ Spiegel bedeuten nun, dass viel NADH zu ATP umgesetzt wird, die Zelle also viel Energie zu produzieren vermag. Das ist ein gutes Zeichen. NAD+ aktiviert in der Folge Sirtuine, eine Gruppe von Genen, die in Verbindung mit Langlebigkeit stehen. Dazu später mehr.
Wusstest Du? Im Alter nehmen die NAD-Spiegel ab. Dies lässt sich z.B. einfach mit einem NAD-Test feststellen. Die Gründe dafür sind vielfältig, von einer verringerten Produktion bis zu einem verstärkten Abbau. Die ausführliche Darstellung der aktuellen Forschung haben wir dir in unserem Übersichtsartikel „Was ist NAD“ für dich zusammengefasst.
regeNAD ist ein innovativ formulierter Komplex zur Steigerung des NAD-Spiegels - mit Luteolin und Apigenin.
Freie Radikale – reaktive Sauerstoffspezies (ROS)
Eine ausgewählte Theorie des Alterns schlägt vor, dass die fortschreitende mitochondriale Dysfunktion, welche beim Altern auftritt, zu einer erhöhten Produktion von freien Radikalen (= reaktive Sauerstoffspezies, ROS von engl. reactive oxygen species) führt. Das schädigt die Mitochondrien weiter und führt somit zu einer allgemeinen Zellschädigung. Antioxidantien sind dabei von Interesse.
Zahlreiche Studien unterstützen diesen Zusammenhang, in den letzten Jahren gab es diesbezüglich aber zunehmend kontroverse Forschungsergebnisse. Zum Beispiel konnten erhöhte freie Radikale die Lebensdauer von Hefen und Fadenwürmern verlängern. Zudem beschleunigten genetische Manipulationen, die oxidative Schäden verursachten, das Altern bei Mäusen nicht. Auch verlängerte sich die Lebensdauer von Mäusen nicht durch Manipulationen, die die antioxidativen Schutzmechanismen verbesserten.
Gleichläufig lieferte die Grundlagenforschung solide Beweise für die Rolle von freien Radikalen bei der Auslösung von Zellteilungs- und Überlebenssignalen als Reaktion auf Stress. In Anbetracht dieser und vieler anderer überraschenden Ergebnisse geriet die Theorie ins Wanken – eine Neubewertung wurde notwendig. Ähnlich wie beim IGF-1 Signalweg gelang es auch hier die, auf den ersten Blick, widersprüchlichen Ergebnisse unter einem gemeinsamen Dach zu harmonisieren.
Demnach sind ROS ein stressbedingtes Überlebenssignal, um die mit dem Altern einhergehende Verschlechterung zu kompensieren. Die Anzahl der freien Radikale nimmt also zu, um das Überleben von Zellen zu gewährleisten. Zumindest so lange bis sie ihren ursprünglichen Zweck verraten und den altersbedingten Schaden ob der massiven Zunahme eher verschlimmern als lindern. Man könnte es auch anders zusammenfassen:
Wir benötigen die ROS, sie können wie Trainingspartner für unsere Zellen agieren. Werden sie aber zu viel, fügen sie unseren Zellen Schaden zu.
Mitochondriale Dysfunktion und Biogenese
Das Altern durch mitochondriale Dysfunktion ist aber nicht nur durch freie Radikale (ROS) vermittelt. Von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren, nehmen wir ein paar genauer unter die Lupe. Wie bei so vielen Prozessen im Körper ist die Gen-Familie der Sirtuine auch hier von Bedeutung. SIRT1 moduliert die Biogenese über ein Protein namens PGC-1α. Dieses Protein ist der „Master-Regulator“ der mitochondrialen Biogenese und eine direkte Verbindung zwischen externen physiologischen Stimuli (wie beispielsweise Bewegung) und der Regulation des Mitochondriums.
Dazu ein etwas greifbareres Beispiel: Betreiben kleine Kinder Sportarten in dem Ausdauerleistungen gefragt sind, dann werden schnelle Muskelfasern (für Sprints) umprogrammiert zu langsamen Muskelfasern (für Ausdauer). Diese Muskelfasern haben sehr viele Mitochondrien, um eine ausdauernde Energiebereitstellung zu sichern.
Die Menge an Mitochondrien wird durch PGC-1α bestimmt – ein hoher Spiegel sorgt für eine gesteigerte Mitochondrienproduktion. Eine gewisse Grundverteilung der Muskelfasern ist allerdings genetisch vorgegeben. Der kleinere variable Teil wird aber durch körperliche Anforderungen via PGC-1α gelenkt. Eltern können somit indirekt über die Auswahl der Sportart, die muskuläre Entwicklung ihrer Kinder mitbestimmen.
Wusstest Du? Während Sport die PGC-1α Spiegel nach oben treiben kann, sorgen Entzündungen dafür, dass PGC-1α sinkt. Typischerweise wird bei Entzündungsvorgängen im Körper der Nf-kB aktiviert und dieser kann sich direkt negativ auf PGC-1α auswirken. Hier zeigt sich nochmal, dass die verschiedenen Hallmarks of Aging miteinander agieren und schwierig voneinander zu trennen sind. Inflammaging, das zehnte Hallmark, trägt also so direkt zur mitochondrialen Dysfunktion bei.
Zurück zu den Langlebigkeitspfaden. SIRT1 steuert außerdem die Entfernung beschädigter Mitochondrien durch Autophagie, eine Art Müllabfuhr im Körper. SIRT3 zielt auf Enzyme ab, die am Energiestoffwechsel beteiligt sind und vermag es weiters auch die Geschwindigkeit der Produktion von freien Radikalen direkt zu steuern.
Aus der Vogelperspektive betrachtet stützen diese Ergebnisse die Annahme, dass Sirtuine als eine Art Stoffwechselsensoren fungieren, um die Funktion der Mitochondrien zu beeinflussen und vor altersbedingten Krankheiten zu schützen. Da die Mitochondrien ein eigenes kleines Genom besitzen, stören entsprechende Mutationen in der Erbinformation naturgemäß auch die Funktionalität.
Von der Theorie zur Praxis
So viel erstmal zu den molekularen Mechanismen im mitochondrialen Gefüge. Was bringen uns nun diese Erkenntnisse für unseren Alltag? Studien haben gezeigt, dass Ausdauertraining und alternierendes Fasten die Gesundheit verbessern, da sie mitochondriale Degenerationen vermeiden können. Das beruht zum einen auf der Autophagie, die sowohl durch Fasten als auch durch Ausdauertraining potent ausgelöst werden kann. Zum anderen werden durch verschiedene Fastenformen zusätzliche Langlebigkeitspfade, wie die Sirtuine, aktiviert.
Mitohormesis – kleine Reize, große Wirkung?
Dieser etwas mysteriös klingende Begriff setzt sich aus Mitochondrium und Hormesis zusammen. Nach dem Konzept der Hormesis lösen milde toxische Behandlungen vorteilhafte Ausgleichsreaktionen aus. Die Ausgleichsreaktionen übertreffen die Reparatur des auslösenden Schadens und führen dadurch zu einer Verbesserung der zellulären Fitness im Vergleich zum Zustand vor dem Schaden.
Diese Hypothese geht in ihren Ursprüngen auf Paracelsus und damit auf das 16. Jahrhundert zurück. Im Laufe der Zeit wurde diese Anschauung experimentell untermauert und bei Substanzen wie Digitalis (Herzinsuffizienz), Colchicin (Gicht) oder Opiaten (Schmerz) auch medizinisch nutzbar gemacht.
Eine Reihe von Forschungslinien zum Altern haben sich ebenfalls auf dieses Konzept konzentriert. Wenngleich eine schwere mitochondriale Dysfunktion krank macht, könnten nur leichte Störungen die Lebensdauer verlängern, aufgrund einer hormetischen Reaktion. Es existieren wissenschaftliche Belege für die Ansicht, dass Metformin und Resveratrol milde mitochondriale Gifte sind, die einen niedrigen Energiezustand induzieren und dadurch AMP-Spiegel erhöhen. Die Folge kennen wir bereits aus der Abhandlung über deregulierte Nährstoffmessung: AMPK wird aktiviert und dadurch das Altern verlangsamt.
Metformin verlängerte das Leben von Fadenwürmern und Mäusen in einigen Studien. Unter normalen Ernährungsbedingungen konnte Resveratrol die Lebensdauer von Mäusen nicht verlängern, es gibt aber aussagekräftige Studienergebnisse darüber, dass es vor Stoffwechselschäden schützt und die mitochondriale Funktion über die Erhöhung von PGC-1α verbessert. Die Beobachtung, dass PGC-1α Überexpression die Lebensspanne von Fruchtfliegen verlängert liefert einen weiteren Beleg für die Rolle des Proteins bei der Langlebigkeit.
Zusammenfassung der Signalwege rund um Mitochondrien und Altern. Mitohormesis, PGC1a und freien Radikalen wird eine protektive Funktion zugeschrieben.
Fazit – wie lassen sich die Mitochondrien stärken?
Mitochondrien sind nicht nur die Kraftwerke der Zelle, sondern auch potenzielle Quellen für gesundes Altern. Die Funktion oder vielmehr Non-Funktion hat einen tiefgreifenden Einfluss auf den Alterungsprozess.
Die Studien zeigen ziemlich eindeutig, dass man durch Sport z.B. Mitochondrien stärken kann. Ausdauer- und Krafttraining auch bis ins hohe Alter stellen die Basis dar. Darüber hinaus müssen wir die Mitochondrien für übermäßigem oxidativem Stress schützen, indem wir eine Ernährung reich an sekundären Pflanzenstoffen zu uns nehmen. Resveratrol konnte beispielsweise zeigen, dass es sich positiv auf die Mitochondrien auswirkt.
Die Gesundheit der Mitochondrien ist immer eng mit dem NAD-Spiegel verknüpft. Da diese im Alter sinken, kann es Sinn machen die Vorstufen zu supplementieren, wie sie beispielsweise in regeNAD enthalten sind. Der letzte Aspekt, um unsere Mitochondrien zu stärken, ist dafür zu sorgen, dass die „Entsorgung“ alter Mitochondrien reibungslos funktioniert. Die veränderte (Makro-) Autophagie stellt dabei aber einen ganz eigenen Hallmark of Aging dar, weshalb wir diesen Aspekt in einem anderen Artikel näher beleuchten.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Mitochondrien ein faszinierender Aspekt der Altersforschung sind. Das Ziel für die Zukunft ist noch mehr darüber herauszufinden, warum die Mitochondrien im Alter nicht mehr so leistungsfähig sind und wie wir dies umkehren können. Die ersten Schritte sind bereits getan.
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Im nächsten Artikel dieser Reihe geht es um das siebte Kennzeichen des Alterns: Zelluläre Seneszenz.