Cortisol und Cortison, man hört die beiden Begriffe immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen. Sei es als Salbe, als Stresshormon oder als Medikament. Was sind die Unterschiede zwischen den Molekülen und was macht das Hormon eigentlich?
Was ist Cortisol?
Cortisol ist ein Hormon aus der Gruppe der Glukocorticosteroide, welches in der äußeren Schicht (Rinde) unserer Nebennieren gebildet wird. Die Nebenniere sitzt als eigenständiges Organ auf der Niere, ist wichtig für unseren Wasser- und Salzhaushalt und ihre Rinde ist ein wichtiger Produktionsort für viele Hormone.
Doch bleiben wir beim Cortisol: Nachdem es in der Nebennierenrinde (NNR) gebildet wurde, gelangt es in unseren Blutkreislauf und kann von dort aus an praktisch allen Stellen unseres Körpers wirken.
Es bindet dabei an einen Rezeptor, der in beinahe sämtlichen Gewebestrukturen zu finden ist und löst dadurch viele verschiedene Reaktionen aus. Es beeinflusst in Stresssituationen zum Beispiel den Stoffwechsel, den Blutdruck, die Herzfrequenz und das Immunsystem.
Die Nebennieren sitzen jeweils wie kleine dreieckige Kappen auf den Nieren. Der äußere Teil der Nebenniere, auch Rinde genannt, ist der Produktionsort von Cortisol.
Wie wirkt Cortisol im Körper?
Cortisol ist ein vielseitiges Hormon, das an vielen Prozessen im Körper beteiligt ist. Besonders in Stresssituationen übernimmt es eine zentrale Rolle, indem es Energie bereitstellt und wichtige Körperfunktionen reguliert. Doch wie genau wirkt Cortisol?
Cortisol als Stresshormon
Unser Körper wird von zwei Gegenspielern im Nervensystem gesteuert: Sympathikus und Parasympathikus. Während der Parasympathikus in Ruhephasen aktiv ist („rest and digest“), übernimmt der Sympathikus in stressigen oder herausfordernden Momenten („fight or flight“).
Kommt es zu einer Stresssituation – sei es durch Zeitdruck, eine körperliche Belastung oder eine gefährliche Situation – aktiviert der Sympathikus das sogenannte Stresshormonsystem. Neben den bekannten Katecholaminen Adrenalin und Noradrenalin wird auch Cortisol ausgeschüttet.
Hauptaufgabe: Energie gewinnen
Eine der Hauptaufgaben von Cortisol ist die Bereitstellung von Energie, damit der Körper schnell auf eine Belastung reagieren kann. Das passiert durch folgende Mechanismen:
- Erhöhung des Blutzuckerspiegels → Damit das Gehirn und die Muskulatur genügend Energie erhalten
- Förderung des Fett- und Muskelabbaus → Energiereserven werden mobilisiert
- Schnellere Sauerstoffversorgung → Blutdruck und Herzfrequenz steigen
Diese Prozesse helfen dabei, kurzfristig leistungsfähiger zu sein – ob im Sport, in Prüfungssituationen oder bei plötzlichem Stress.
Regulation des Immunsystems
Cortisol ist nicht nur ein Stresshormon, sondern auch ein wichtiger Regulator des Immunsystems. Es beeinflusst, wie unser Körper auf Infektionen, Entzündungen und Heilungsprozesse reagiert. Doch warum schwächt Stress unser Immunsystem – und warum wird Cortisol deshalb gezielt als Medikament eingesetzt?
Cortisol unterdrückt Immunreaktionen
In akuten Stresssituationen sorgt Cortisol dafür, dass der Körper seine Energie für das Überleben reserviert – nicht für Heilungsprozesse. Das bedeutet:
- Wunden heilen langsamer → Der Körper priorisiert Kampf oder Flucht
- Allergische Reaktionen werden gehemmt → Die Immunantwort wird heruntergefahren
- Entzündungen nehmen ab → Der Körper spart Energie für andere Prozesse
Kurzfristig kann diese Reaktion sinnvoll sein, doch auf Dauer schwächt sie das Immunsystem. Wer unter chronischem Stress steht, ist oft anfälliger für Infekte, da der Körper Krankheitserreger nicht mehr effizient bekämpfen kann.
Cortison als Medikament – warum das funktioniert
Cortison, die inaktive Vorstufe von Cortisol, wird häufig als Medikament gegen Entzündungen und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Sobald es in den Körper gelangt, wird es in das aktive Cortisol umgewandelt.
Anwendungsbereiche von Cortison:
- Behandlung von Allergien (z. B. Heuschnupfen, Asthma)
- Linderung von Entzündungen (z. B. Gelenkbeschwerden, Hautprobleme)
- Einsatz bei Autoimmunerkrankungen (z. B. Rheuma, Multiple Sklerose)
Allerdings kann eine langfristige Cortison-Therapie Nebenwirkungen haben, da sie den natürlichen Cortisol-Haushalt des Körpers beeinflusst. Deshalb wird es meist nur über begrenzte Zeiträume oder in niedriger Dosierung verschrieben.
Cortisolwerte zu hoch? Warum das problematisch ist
Während ein kurzzeitiger Anstieg von Cortisol völlig normal ist, kann ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel negative Folgen haben. Der Körper bleibt dann in einer Art Dauerstressmodus, was langfristig belastend ist.
Besonders tückisch: Man spürt chronisch erhöhtes Cortisol oft nicht direkt. Viele Menschen gewöhnen sich an anhaltenden Stress, merken aber nicht, dass ihr Körper dauerhaft auf Hochtouren läuft.
Gründe eines erhöhten Cortisolspiegels
Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden – sowohl durch äußere Belastungen als auch durch interne physiologische Prozesse.
Körperlicher oder emotionaler Stress
Ob intensive Workouts, Schlafmangel oder emotionale Belastungen – jede Art von Stress aktiviert die Cortisolproduktion. Chronischer Stress verhindert, dass der Körper Cortisol wieder ausreichend abbauen kann.
Beruflicher oder privater Druck
Dauerhafter Zeitdruck, hohe Verantwortung oder Konflikte im Privatleben können den Cortisolspiegel konstant auf einem hohen Niveau halten. Ohne ausreichende Erholungsphasen bleibt der Körper im Stressmodus.
Übermäßiger Alkoholkonsum
Alkohol beeinflusst die Hormonregulation und kann die Cortisolausschüttung erhöhen. Gleichzeitig belastet er die Leber, was die Fähigkeit des Körpers zur Stressbewältigung weiter verschlechtert.
Zu viel Koffein
Koffein stimuliert das sympathische Nervensystem und signalisiert dem Körper, Cortisol auszuschütten – besonders, wenn es regelmäßig und in hohen Mengen konsumiert wird.
Depressionen & psychische Belastungen
Studien zeigen, dass Menschen mit Depressionen oft erhöhte Cortisolwerte haben. Chronischer emotionaler Stress kann das Hormongleichgewicht dauerhaft stören und zu einer Überproduktion führen.
Unterzuckerung (Hypoglykämie)
Ein niedriger Blutzuckerspiegel signalisiert dem Körper eine potenzielle Bedrohung. Um Energie bereitzustellen, wird Cortisol ausgeschüttet, da es die Glukoseproduktion in der Leber anregt.
Hormonelle Veränderungen
Schwangerschaft, Wechseljahre oder Erkrankungen, die den Hormonhaushalt beeinflussen, können ebenfalls zu einem Ungleichgewicht der Cortisolproduktion führen.
Langfristige Einnahme von cortisonhaltigen Medikamenten
Medikamente mit Cortison (z. B. zur Behandlung von Entzündungen oder Allergien) können den natürlichen Cortisolhaushalt des Körpers beeinflussen und die Eigenproduktion hemmen oder steigern.
Überfunktion der Nebennierenrinde (Cushing-Syndrom)
In seltenen Fällen kann eine krankhafte Überproduktion von Cortisol durch eine Fehlfunktion der Nebennierenrinde oder der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) verursacht werden. Dies führt zu einem dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel mit schweren gesundheitlichen Folgen.
Die Folgen
- Schlafprobleme
- Steigender Blutzuckerspiegel
- Bluthochdruck
- Übergewicht
- Koronare Herzerkrankungen
- Cushing-Syndrom
- Libidoverlust
- Kraftlosigkeit
- Magenprobleme
- Gewichtszunahme
Im Gegensatz dazu verursacht ein chronischer Cortisolmangel andere Symptome:
- niedriger Blutdruck
- Gewichtsverlust
- Stimmungsschwankungen
- Schwächeanfälle
Cortisol im Tagesverlauf
Cortisol folgt einem natürlichen Rhythmus, der sich nach der inneren Uhr des Körpers richtet. Seine Konzentration im Blut schwankt über den Tag hinweg und wird stark von Schlaf, Stress und täglichen Routinen beeinflusst.
Morgens: Höchster Cortisolspiegel für den perfekten Start
Zwischen 6 und 9 Uhr morgens erreicht Cortisol seinen Höchstwert. Das liegt daran, dass der Körper sich auf das Aufwachen vorbereitet:
- Energie wird mobilisiert, um aktiv in den Tag zu starten
- Blutzucker steigt, um das Gehirn mit Treibstoff zu versorgen
- Wachheit und Aufmerksamkeit nehmen zu
Tipp: Morgens viel Tageslicht tanken kann helfen, den natürlichen Cortisol-Rhythmus zu stabilisieren. Hier geht's zur idealen Morgenroutine.
Tagsüber: Schwankungen je nach Aktivität
Im Laufe des Tages sinkt der Cortisolspiegel allmählich ab. Je nachdem, wie stressig der Alltag ist, können aber kurzfristige Cortisolspitzen auftreten – etwa bei Meetings, intensiven Workouts oder Zeitdruck.
Wer tagsüber viel Stress hat, produziert immer wieder Cortisol – das kann langfristig zu einem unausgeglichenen Hormonhaushalt führen.
Viel Stress im Alltag und bei der Arbeit vermindern die Fähigkeit des Immunsystems auf Bedrohungen zu reagieren.
Abends: Cortisol fällt auf den Tiefpunkt
Gegen Mitternacht erreicht Cortisol seinen niedrigsten Wert. Jetzt steht die Regeneration im Vordergrund:
- Zellen werden repariert
- Der Körper bereitet sich auf den Schlaf vor
- Entspannung und Erholung setzen ein
Tipp: Blaues Licht von Bildschirmen und spätes Koffein können den Cortisolspiegel künstlich hochhalten – besser zwei Stunden vor dem Schlafengehen auf digitale Geräte verzichten. Hier geht's zur idealen Schlafroutine.
Warum ein stabiler Cortisolrhythmus wichtig ist
Ein gesunder Cortisolverlauf ist entscheidend für Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Schlafqualität. Menschen mit chronischem Stress erleben oft unnatürliche Schwankungen:
- Dauerhaft hoher Cortisolspiegel → Kann zu Schlafstörungen, Gewichtszunahme und Burnout führen
- Zu niedriger Cortisolspiegel → Kann Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsprobleme verursachen
Cortisolspiegel messen: Wie sinnvoll ist das?
Wer den Verdacht hat, dass sein Cortisolspiegel zu hoch oder zu niedrig ist, kann ihn medizinisch testen lassen. Doch eine einmalige Messung reicht nicht aus, denn Cortisol schwankt im Laufe des Tages stark. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, muss der Tagesverlauf des Cortisols erfasst werden und ein sogenanntes Cortisol-Tagesprofil erstellt werden.
Wie kann Cortisol gemessen werden?
Es gibt verschiedene Methoden zur Bestimmung des Cortisolspiegels:
Bluttest:
- Misst das gesamte Cortisol im Blut (gebunden & frei)
- Aussagekräftig für einen Moment, aber nicht für den Tagesverlauf
Test mit Urin oder Speichel:
- Erfasst das freie, biologisch aktive Cortisol
- Mehrere Messungen am Tag möglich, um den Rhythmus zu analysieren
- Besonders hilfreich bei Verdacht auf Dysbalancen im Tagesverlauf
Wichtig: Die Speichelmessung ist zwar praktisch, aber es gibt keine standardisierten Normwerte, weshalb die Interpretation schwierig sein kann.
Wann ist eine Cortisolmessung sinnvoll?
Ein Test kann hilfreich sein, wenn Symptome wie anhaltende Erschöpfung, Schlafstörungen, unerklärliche Gewichtszunahme oder Konzentrationsprobleme vorliegen. Auch bei Verdacht auf eine Nebennierenschwäche oder übermäßige Stressbelastung kann eine regelmäßige Messung Aufschluss geben.
Wer seinen Cortisolspiegel testen möchte, sollte ihn in den meisten Fällen über den Tag verteilt messen, um den natürlichen Rhythmus zu berücksichtigen. Einzelne Werte sind wenig aussagekräftig.
Cortisol kann im Blutserum (hier abgebildet), im Harn und im Speichel gemessen werden. Die Normalwerte variieren je nach Tageszeit.
Cortisolspiegel senken: Praktische Tipps
Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel kann sich negativ auf deine Gesundheit auswirken – von Schlafstörungen bis hin zu einem geschwächten Immunsystem. Die gute Nachricht: Es gibt zahlreiche einfache Methoden, die dein Cortisollevel positiv beeinflussen.
Stress aktiv abbauen
Dauerhafter Stress ist einer der größten Cortisol-Treiber. Um deinen Körper aus dem „Kampf- oder Flucht“-Modus zu holen, helfen gezielte Entspannungstechniken:
- Atemübungen & Achtsamkeitstraining – können nachweislich den Cortisolspiegel senken
- Spaziergänge in der Natur – reduzieren Stresshormone auf natürliche Weise
- Power Naps & Ruhepausen – helfen dem Körper, sich zu regenerieren
Tipp: Regelmäßige achtsame Pausen im Alltag können Cortisol effektiv regulieren.
Gesunder Schlaf für ein stabiles Cortisollevel
Da Cortisol einem zirkadianen Rhythmus folgt, ist Schlaf essenziell für seine Regulation. Wer zu wenig oder unregelmäßig schläft, riskiert anhaltend hohe Cortisolwerte.
- Feste Schlafzeiten einhalten – für eine stabile innere Uhr
-
Blaues Licht vermeiden – am Abend mindestens eine Stunde vorm Schlafengehen Abstand von Handy und Computer halten, um den natürlichen Cortisolabbau nicht zu stören
- Schlafdauer von 7–9 Stunden – fördert die Regeneration und senkt Cortisol
Tipp: Ein dunkles, kühles Schlafzimmer kann die Schlafqualität und damit die Cortisolbalance verbessern.
Ernährung & Koffein clever steuern
Auch deine Ernährung hat Einfluss auf deinen Cortisolspiegel.
Das kann Cortisol senken:
- Magnesium-reiche Lebensmittel (z. B. Nüsse, Blattgemüse, Bananen)
- Omega-3-Fettsäuren (z. B. Lachs, Chiasamen)
- Adaptogene Pflanzen (z. B. Ashwagandha, Rhodiola)
Das kann Cortisol erhöhen:
- Zu viel Koffein – stimuliert das Stresshormon-System
- Alkohol & stark verarbeitete Lebensmittel – belasten den Körper zusätzlich
- Lange Hungerphasen – können den Cortisolspiegel ansteigen lassen
Tipp: Falls du empfindlich auf Koffein reagierst, versuche nachmittags oder abends darauf zu verzichten, um deinen Cortisolspiegel nicht unnötig hochzuhalten.
Bewegung – aber in der richtigen Dosis
Sport kann helfen, Cortisol zu senken – aber nur, wenn er in Maßen betrieben wird.
Moderates Training (z. B. Yoga, Schwimmen, Spazieren) → senkt Cortisol nachhaltig
Intensives Training (z. B. exzessives Cardio, HIIT) ohne Erholung → kann Cortisol kurzfristig stark erhöhen
Tipp: Nach dem Training für ausreichende Regeneration sorgen, um den Cortisolhaushalt stabil zu halten.