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Ernährungsstress an Weihnachten: Wissenschaftliche Ansätze zur Verträglichkeit

Ernährungsstress an Weihnachten: Wissenschaftliche Ansätze zur Verträglichkeit

Gastartikel unserer Ernährungsexpertin Dr. Dorothea Portius

Weihnachten ist traditionell eine Zeit des Genusses und der gemeinsamen Freude. Doch für viele Menschen ist die Adventszeit geprägt von erhöhtem Stress – nicht nur psychisch, sondern auch physiologisch. Neben beruflichem Druck, wie dem Abschluss von Projekten bis Jahresende, und sozialen Verpflichtungen wie Weihnachtsfeiern, führen die kürzeren Tage und die Dunkelheit nicht nur zu Bewegungsmangel, sondern auch zu geringerer Energie und Antriebslosigkeit.

Dies wird durch einen spezifischen „Ernährungsstress“ verstärkt, der auf vorweihnachtliche Ernährungsmuster zurückzuführen ist. Wenn in dieser Zeit keine ausgewogene Balance gewahrt wird, können diese Gewohnheiten den Stoffwechsel erheblich belasten und sowohl körperliche als auch mentale Ressourcen beanspruchen.

Dieser sogenannte „Ernährungsstress“ ist nicht nur ein Modebegriff, sondern beschreibt eine spezifische Belastung des Stoffwechsels. Er resultiert aus einer Kombination von Zucker, Alkohol, schwerem Essen und einer insgesamt unausgewogenen Lebensweise. All diese Faktoren belasten die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse), das zentrale Stressregulationssystem, das eng mit Stoffwechsel verbunden ist. Langfristig kann dies die physiologische Homöostase stören und metabolische sowie hormonelle Dysbalancen verursachen.

Im Folgenden möchte ich näher erklären, wie diese Einflüsse auf den Körper wirken und wie wissenschaftlich fundierte Maßnahmen helfen können, die Belastung zu minimieren.

Dr. Dorothea Portius ist Ernährungswissenschaftlerin und Autorin

Zucker: Ein metabolischer Stresstest für den Körper

Zucker gehört für viele Menschen zur Weihnachtszeit dazu – vom Schokoladenstück aus dem Adventskalender bis hin zu Stollen und Weihnachtsplätzchen. Doch die regelmäßige Aufnahme von Zucker in kurzen Abständen kann den Stoffwechsel erheblich belasten (der bekannte Blutzuckerrollercoaster).

Warum ist das problematisch?

Einfacher Zucker wie in Schoki und Co. hat einen hohen glykämischen Index, was bedeutet, dass er den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen lässt. Dies löst eine schnelle Insulinausschüttung aus, die den Blutzucker senkt. Häufige Schwankungen des Blutzuckerspiegels fördern Insulinresistenz, ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes und das metabolische Syndrom (inkl. Adipositas). Zudem fördert Zucker die Lipogenese (Fettneubildung), was langfristig zu einer Gewichtszunahme führt.

Auch auf die Zahngesundheit wirkt sich Zucker negativ aus, da er ein Substrat für orale Bakterien wie Streptococcus mutans darstellt. Diese produzieren Säuren, die den Zahnschmelz angreifen und das Risiko für Karies erhöhen.

Wissenschaftlich fundierte Ansätze:

  • Timing des Zuckerkonsums: Der Konsum von Zucker direkt nach einer Mahlzeit verhindert Blutzuckerspitzen, da die Nahrung den Verdauungsprozess verlangsamt und die Aufnahme von Glukose weniger abrupt erfolgt. Aufgrund des bereits eingetretenen Sättigungsgefühls wird auch weniger von den süßen Treat verzehrt.
  • Gesunde Alternativen: Natürliche saisonale „Süßigkeiten“ wie Obst (z. B. Äpfel oder Orangen) liefern Fruktose in Kombination mit Ballaststoffen, die die Aufnahme verlangsamen. Zusätzlich sind sie reich an Wasser und enthalten Vitamine und Mineralstoffe wie Magnesium und Kalium, die den Energiestoffwechsel unterstützen.
  • Fokus auf Nährstoffdichte: Nüsse und Trockenfrüchte wie Datteln sind reich an B-Vitaminen, die für den mitochondrialen Energiestoffwechsel essenziell sind. Nüsse enthalten auch ungesättigte Fettsäuren, die die kognitive Funktion fördern 

Alkohol: Ein unterschätzter metabolischer Stressor

Der Konsum von Alkohol steigt in der Weihnachtszeit durch soziale Anlässe wie Weihnachtsmärkte oder Feiern häufig an. Obwohl Alkohol als Genussmittel wahrgenommen wird, hat er tiefgreifende Auswirkungen auf den Stoffwechsel.

Warum ist Alkohol ein Problem?

Alkohol wird in der Leber durch die Enzyme Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase metabolisiert. Dieser Prozess ist energieintensiv und führt zur Bildung von Acetaldehyd, einem toxischen Zwischenprodukt. Gleichzeitig hemmt Alkohol die Glukoneogenese (Zuckerneubildung), wodurch die Fähigkeit der Leber, Blutzucker in Fastenperioden bereitzustellen, eingeschränkt wird. Deswegen erzeugt Alkohol auch immer ein Hungergefühl, vor allem wenn er auf nüchternen Magen konsumiert wird.

Alkohol stört zudem das Darmmikrobiom, das eine zentrale Rolle für die Immunabwehr und die Nährstoffaufnahme spielt. Studien zeigen, dass ein gestörtes Mikrobiom mit Entzündungsprozessen und metabolischen Erkrankungen assoziiert ist.

Wissenschaftlich fundierte Ansätze:

  • Moderation: Es wird empfohlen, den Alkoholkonsum auf ein Minimum zu reduzieren, insbesondere in stressigen Phasen, da Alkohol auch die HPA-Achse aktiviert und die Stressantwort verstärken kann.
  • Alkoholfreie Alternativen: Gewürze wie Zimt, Nelken und Ingwer, die in alkoholfreiem Punsch verwendet werden, besitzen antientzündliche Eigenschaften und können das Immunsystem stärken. Achtung: Fertige Punschgetränke enthalten jedoch oft große Mengen Zucker. Tipp: Bereite Glühwein und Punsch am besten selbst zu, um den Zuckergehalt zu kontrollieren und gesündere Alternativen zu verwenden.
  • Bewusst genießen: Hochwertiger Wein mit niedrigem Zuckergehalt oder alkoholarme Varianten belasten den Stoffwechsel weniger.

Schweres Essen: Ein Hindernis für die Stoffwechselregulation

Üppige Mahlzeiten, wie sie an den Feiertagen üblich sind, kombinieren oft fett- und kohlenhydratreiche Speisen. Diese Kombination überfordert den Stoffwechsel und kann langfristig zu metabolischen Störungen führen.

Warum ist schweres Essen problematisch?

Fett- und kohlenhydratreiche Lebensmittel erhöhen die postprandiale Lipämie, also den Fettgehalt im Blut nach dem Essen. Studien zeigen, dass erhöhte Triglyzeridspiegel nach einer Mahlzeit mit Insulinresistenz und Entzündungsprozessen assoziiert sind. Zusätzlich kann schweres Essen durch verzögerte Magenentleerung zu Völlegefühl und Sodbrennen führen, was widerrum den Darm belastet. 

Wissenschaftlich fundierte Ansätze:

  • Leichte Alternativen: Mageres Protein (z. B. Fisch oder Geflügel) in Kombination mit ballaststoffreichen Beilagen wie Vollkornprodukten oder Gemüse unterstützt die Darmgesundheit und liefert zudem wichtige Mikronährstoffe. Tipp: Neben Entenbrust und Kloß, den Teller mit Gemüse oder Salat anreichern.
  • Portionskontrolle: Kleinere Portionen können die postprandiale Stoffwechselbelastung reduzieren und die Verdauung unterstützen. Ein Beispiel liefert die traditionelle Ernährungsweise der Blue Zones Bewohner Okinawas in Japan, die nach dem Prinzip „Hara Hachi Bu“ essen – das bedeutet, sie beenden ihre Mahlzeit bei etwa 80 % Sättigung. Zusätzlich fördert langsames Essen und gründliches Kauen nicht nur das Sättigungsgefühl, sondern ermöglicht es dem Körper, die Mahlzeit besser zu verdauen. Der Schlüssel liegt darin, bewusst und mit Genuss zu essen.
  • Bewegung nach dem Essen: Moderate Bewegung, wie ein Spaziergang, stimuliert die Verdauung und die Insulinantwort und reduziert somit auch postprandiale Blutzuckerspitzen.

Fazit: Weihnachten genießen – ohne Stress für den Körper

Die Weihnachtszeit muss nicht zwangsläufig eine Herausforderung für den Stoffwechsel darstellen. Maßnahmen wie die Reduktion von Zucker- und Alkoholkonsum, der Fokus auf nährstoffdichte Lebensmittel und bewusste Mahlzeitenplanung können helfen, den Körper zu entlasten.

Durch eine Kombination aus psychischer Achtsamkeit und physiologischer Entlastung wird es möglich, die besinnliche Zeit ohne gesundheitliche Kompromisse zu genießen. Weihnachten sollte letztlich eine Zeit der Freude und Entspannung, und nicht der Überforderung sein – sowohl für den Geist als auch für den Körper.

    Quellen

    • Engeroff T, Groneberg DA, Wilke J. After Dinner Rest a While, After Supper Walk a Mile? A Systematic Review with Meta-analysis on the Acute Postprandial Glycemic Response to Exercise Before and After Meal Ingestion in Healthy Subjects and Patients with Impaired Glucose Tolerance. Sports Med. 2023
    • O'Keefe JH, Bell DS. Postprandial hyperglycemia/hyperlipidemia (postprandial dysmetabolism) is a cardiovascular risk factor. Am J Cardiol. 2007
    • Román GC, Jackson RE, Gadhia R, Román AN, Reis J. Mediterranean diet: The role of long-chain ω-3 fatty acids in fish; polyphenols in fruits, vegetables, cereals, coffee, tea, cacao and wine; probiotics and vitamins in prevention of stroke, age-related cognitive decline, and Alzheimer disease. Rev Neurol (Paris). 2019
    • Caslin B, Mohler K, Thiagarajan S, Melamed E. Alcohol as friend or foe in autoimmune diseases: a role for gut microbiome? Gut Microbes. 2021 
    • Li Q, Wang O, Ji B, Zhao L, Zhao L. Alcohol, White Adipose Tissue, and Brown Adipose Tissue: Mechanistic Links to Lipogenesis and Lipolysis. Nutrients. 2023 
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